Zeit für Meuterei – Aktionstage für sichere Schwangerschaftsabbrüche in Flensburg

Vom 18.09. bis 28.09. wird das Segelboot „beeden scheef“ unter lila Flagge an der Flensburger Hafenspitze festmachen. Das Netzwerk „Feministische Aktion Flensburg“ wird 11 Tage lang zwischen dem Liegeplatz der MS Sønderborg und den schwimmenden Gärten die Forderung nach sicheren Schwangerschaftsabbrüchen sichtbar machen.

Der Auftakt am 18.09. ist bewusst gewählt: An diesem Tag findet in Berlin der sogenannte „Marsch für das Leben“ statt, zu dem Abtreibungsgegner*innen aus ganz Deutschland mobilisieren. Die Feministische Aktion Flensburg solidarisiert sich mit den Gegenprotesten in Berlin und bundesweit. Höhepunkt der Aktionstage wird der 28. September sein, dem International Safe Abortion Day, der sich auch in Deutschland als bundesweiter Aktionstag für sichere Schwangerschaftsabbrüche etabliert.

Mit diesen Aktionstagen wird neben der Forderung der Streichung des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch auch die bedrohte Versorgungslage in Flensburg thematisiert.

Ab 2023 werden mit der abgeschlossenen Fusion der kirchlichen Träger der Diakonie und der Malteser Schwangerschaftsabbrüche nicht länger in einer Klinik möglich sein, außer in sogenannten medizinischen Notfällen.

Die Ratsversammlung der Stadt Flensburg hat 2019 mehrheitlich den Beschluss gefasst, dass Abbrüche auch im geplanten Zentralklinikum am Peelwatt möglich sein müssen. Doch ein konkretes politisches Handeln bleibt bisher aus. Auch ein offener Brief an die Oberbürgermeisterin Simone Lange vom 15.05.2021 ist bisher unbeantwortet.

Wenn die kirchlichen Träger sich ihrer Verantwortung entziehen und die Landesregierung sowie die Stadt Flensburg sich handlungsunfähig zeigen, so muss wohl eine kreative Lösung her.

Eine Möglichkeit könnte ein Abtreibungsschiff sein, wie es die niederländische Organisation Women on Waves zur Durchführung medikamentöser Abbrüche in internationalen Gewässern nutzt.

Wir könnten unter dänischer Flagge nach dänischem Recht ohne Beratungszwang und Wartefrist an Bord Abtreibungen durchführen. Gut, dass Flensburg direkt an der dänischen Grenze liegt“ sagt Nautikerin Birte Lohmann. So werde nicht nur die Versorgungslage in Flensburg gebessert sondern zudem ein Prozess ohne Stigmatisierung durch den Paragraf 218 StGB ermöglicht. Das Folkeboot „beeden scheef“ steht für diese Idee.

Ein solches Schiff wäre eine Zwischenlösung bis auch Deutschland endlich den sicheren, legalen und kostenfreien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen ermöglicht, wie es internationale Vereinbarungen zu Menschenrechten beinhalten.

Die Feministische Aktion Flensburg fordert: Das neue Klinikum am Peelwatt gehört nicht in die Hände von kirchlichen Trägern. Ein zukunftsweisendes Krankenhaus gehört in öffentliche Hand. Das Personal des Franziskus-Hospitals sowie der DIAKO soll dabei selbstverständlich übernommen werden. Die verantwortlichen Führungskräfte müssen von Bord gehen. Das Leitbild wird sich ändern. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit hat keinen Platz in einem modernen Klinikum.

Daher braucht es eine Meuterei: Jeden Nachmittag ab 14:00 Uhr wird ein Über-Bord-Manöver an der Hafenspitze durchgeführt.

Die Menschen in Flensburg und Umgebung müssen sich in Zukunft auf eine ideologiefreie medizinische Versorgung verlassen können. Nur eine Minderheit von ca. 6% der schleswig-holsteinischen Bevölkerung gehört der katholischen Glaubensgemeinschaft an, wobei fraglich bleibt, wie viele von diesen die Entscheidungsfreiheit von ungewollt Schwangeren ablehnen.

Das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung ist nicht verhandelbar.

Hintergrund

Am 28.09.21 findet der internationale Safe Abortion Day als bundesweiter Aktionstag statt. Das Netzwerk „Feministische Aktion Flensburg“ beteiligt sich im Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung mit zahlreichen Aktivitäten und fordert die Streichung des §218 und 219a aus dem Strafgesetzbuch. Weitere Informationen unter: https://wegmit218.de/

1995 haben die Stadt Flensburg und die DIAKO vertraglich vereinbart, dass Schwangerschaftsabbrüche mit der Übernahme des städtischen Frauenklinikums weiterhin nach den Vorgaben der §§ 218 ff. durchgeführt werden. Durch die Fusion mit dem Franziskus-Hospital wird die DIAKO vertragsbrüchig gegenüber der Stadt Flensburg und „verzichtet“ nun auf diese medizinische Leistung mit der Begründung sich nun nach der katholischen Ethik orientieren zu wollen, da diese Ethik angeblich mehr Leben schütze.

Tatsache ist, dass Schwangerschaftsabbrüche immer vorgenommen werden. Statistisch gesehen hat ca. jede vierte Frau einmal in ihrem Leben einen Abbruch. Selbst wenn sie verboten sind, finden Schwangerschaftsabbrüche statt. Sie werden dann allerdings illegalisiert durchgeführt und stellen damit für die Betroffenen ein hohes gesundheitliches Risiko dar.

In Deutschland wird im § 218 geregelt, unter welchen Indikationen ein Abbruch für die Ärztin/den Arzt sowie die ungewollt schwangere Person straffrei bleibt. Um den dazugehörigen § 219a sind im Bundestag in den letzten Jahren erneut Debatten aufgekommen. Der § 218 soll aus dem Strafgesetzbuch raus und der entmündigende Beratungszwang aufgehoben werden. § 219a verbietet die „Werbung“ durch Ärzt*innen für Schwangerschaftsabbrüche und verhindert damit wichtige Informationen für die Betroffenen. Die Abtreibungsärztin Kristina Hänel führt dagegen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.